Sonntag, 1. Juni 2008

Gespräch mit den Nieren

„Ich trinke zuwenig“ eröffnete die Klientin das Gespräch. „Sie trinken zu wenig“ wiederholte ich etwas konsterniert. Was für ein Thema war das?
Die Geschichte, die dann folgte, hatte es allerdings in sich. Die Klientin, erfolgreiche Geschäftsfrau in den Dreißigern, seit knapp zwei Jahren Mutter einer süßen kleinen Tochter, war seit Jahren hochgradig nierenkrank. Sie war deshalb immer mal wieder mit akuten Nierenproblemen ins Krankenhaus eingeliefert worden, teilweise in schon lebensbedrohlichem Zustand. Diese Notfallereignisse könnte sie vermeiden, wenn sie ausreichend trinken würde, ihre Nieren also gut spülen würde, das aber tat sie nicht. „Ich vergesse das immer wieder. Der ganze Stress mit Job, Haushalt und Kind…“ Aber das Problem hatte insbesondere durch das Kind an neuer Qualität gewonnen: sie wollte ihr Leben und ihre Gesundheit nicht aufs Spiel setzen. Jeder Krankenhausaufenthalt war sowohl für ihr Kind als auch fürs Geschäft schlecht.

Noch während sie ihr Problem schilderte entstand in meinem Kopf eine Idee, wie es denn bearbeitbar sein könnte und ich entschied mich, ihr vorzuschlagen, einmal mit ihren Nieren zu sprechen. Die Idee: eine Kombination aus Rollentausch und Innerem Team, ergänzt um die Kenntnis, dass bei Aufstellungsverfahren auch schon Organaufstellungen zur Klärung von Krankheitsbildern gemacht werden. Warum also nicht ein Gespräch mit Ihren Nieren im Rollentausch-Verfahren? Wir stellten zwei Stühle gegenüber, sie nahm zunächst auf „ihrem“ Stuhl Platz und beschrieb, wie denn die Nieren so aussehen, wie sie da auf dem anderen Stuhl sitzen. Sie sahen sauer aus (was wunder!), klein und schon ganz verschrumpelt, weil sie kein Wasser bekamen. Beim Rollentausch sprach sie nun als ihre Nieren und die beschwerten sich bitterlich, sie schimpften und drohten, demnächst den Dienst ganz einzustellen und ihr somit das Lebenslicht auszublasen. Zurück auf ihrem eigenen Stuhl war die Klientin ziemlich perplex. Dass ihre Nieren so sauer waren, war ihr nicht klar gewesen. Zum ersten Mal konnte sie nachvollziehen, wie lebenswichtig es ist, auf diese Organe acht zugeben, sie zu beachten, sie zu pflegen und zu hegen. Bei weiteren Positionswechseln handelten nun beide Seiten einen Kompromiss aus: man werde sich zukünftig gegenseitig respektieren, denn das Ende des Einen ist automatisch das Ende des Anderen. Meine Klientin versprach – das war ein Vorschlag von mir – täglich mit den Nieren eine Wasserparty zu feiern und diese versprachen, sich dann kooperativ zu verhalten und keine weiteren Probleme mehr zu bereiten.

In der Nachbesprechung vereinbarten wir noch, was der Klientin helfen könnte die Wasserparty nicht zu vergessen. Neben den ganz einfachen visuellen Ankern, wie immer eine Flasche Wasser auf dem Tisch zu haben, erzählte die Klientin, ihr Hobby sei malen. Also schlug ich ihr vor, ein großes Bild zu malen, wie sie täglich mit den Nieren anstößt. Das hat ihr gut gefallen.

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